Zu wenig Narkosemittel – operieren wie im Mittelalter?

Von ISAF Headquarters Public Affairs Office – originally posted to Flickr as 100410-F-7713A-002, CC BY 2.0

Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin fordert schon seit längerem, dass eine Grundversorgung mit den essenziellen Arzneistoffen sichergestellt sein muss.
Remifentanil, vertrieben unter dem Handelsnamen Ultiva, ist eines der am häufigsten gebrauchten Narkosemittel in deutschen Operationssälen und somit eines dieser quasi „unverzichtbaren“ Medikamente.
Doch nun scheint es ernste Lieferengpässe zu geben.
Mehrere Krankenhäuser schlagen Alarm und die ersten Patienten fragen sich, ob sie ihre Operation verschieben oder, mit einem Augenzwinkern, gar bei vollem Bewusstsein durchführen lassen müssen.

Was ist eigentlich Remifentanil?


Remifentanil ist ein sogenanntes Opioid. Dieses charakterisiert sich als heterogene Gruppe von mehreren chemischen Substanzen, die eine morphinähnliche Wirkung besitzen, aufgrund dieser das Substrat in der Anästhesie genutzt wird. Neben diesen sogenannten exogenen, also von außen zugeführten Opoiden, gibt es auch die endogenen Opoide, die in jedem menschlichen Körper vorhanden sind und bei der körpereigenen Schmerzunterdrückung aktiv werden.
Schon die alten Griechen und Römer haben morphinhaltigen Mohn genutzt, um Schmerzen zu lindern.

Wie wirkt es?


Wie alle anderen Opioide wirkt auch Remifentanil an speiellen Rezeptoren, den sogenannten Opioidrezeptoren. Hier dient es als Bindungspartner, in der Fachsprache als Ligand bezeichnet, an der spezifischen Bindungsstelle des Rezeptors. Generell findet das im zentralen Nervensystem statt, da an den Oberflächen der Nervenzellen im Gehirn und im Rückenmark die meisten dieser Rezeptoren vorhanden sind. Remifentanil hat eine rein agonistische Wirkung d.h., wird einer der Opioidrezeptoren durch die Bindung eines Liganden aktiviert, sendet er entsprechende Botenstoffe aus, damit die gewünschte Wirkung eintritt.

Die richtige Anwendung:

Das Medikament muss dem Patienten kontinuierlich während des Eingriffs zugeführt werden. Hierfür benötigt der Anästhesist eine computergestütze Infusionspumpe. 30 Sekunden nach der Zufuhr wirkt es bereits. Aufgrund der sehr kurzen Halbwertszeit von Remifentanil ist seine Wirkung nach fünf bis spätestens zehn Minuten beendet. Daher benötigt man die bereits erwähnte kontinuierliche Zufuhr. Die Dosis muss am Idealgewicht und am Alter des Patienten orientiert sein. Bei Senioren ist eine Dosisreduktion notwendig. Leber- bzw. Nierenprobleme erfordern keine Dosisanpassung, da es organunabhängig abgebaut wird. Mit einer Injektion von 1µg/kg, 30 Sekunden lang wird eine Allgemeinanästhesie hervorgerufen.

Vorteile zu anderen Mitteln

Die sehr geringe Halbwertszeit von Remifentanil sorgt für eine sehr gute Steuerbarkeit der Narkosedauer. Daraus resultiert auch eine kürzere Aufwachperiode des Patienten nach der OP mit dem damit verbundenen geringeren Aufwand beim Beobachten des Patienten im Aufwachraum. Insgesamt wird die Narkosedauer dadurch verkürzt. Ein weiterer Vorteil ist der schnelle ORGANUNABHÄNGIGE Abbau, somit erfordern Nieren- bzw. Leberinsuffizienz keine Dosisanpassung oder gar ein alternatives Verfahren.

Jedes Medikament birgt auch Gefahren

Opioide wie das Remifentanil besitzen generell die Gefahr der Atemlähmung.
Es können auch  Bradykardien, also Unterschreitungen der durchschnittlichen Herzschlagfrequenz und Hypotensionen, Abfallen des Blutdrucks, auftreten. Es stellt also eine größere Belastung für das kardiovaskuläre System des Patienten dar. Hier kann man mit Gabe von Atropin entgegen wirken. Des Weiteren ist mit einer Muskelstarre (Muskelrigidität) am Oberkörper zu rechnen.
Aber durch die kurze Halbwertzeit lässt die Analgesie auch schnell nach. Für diesen Fall benötigt der Patient für eventuell auftretende postoperative Schmerzen ein zusätzliches Schmerzmedikament.

Rechtliche Aspekte

Remifentanil ist in der Anlage 3 des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt. Der unerlaubte bzw. ohne Verschreibung stattfindende Gebrauch ist daher strafbar. Wegen der beschriebenen Nebenwirkungen sollte es ohnehin nur unter intensivmedizinischer Betreuung verwendet werden.

Fazit

Generelle Anforderungen an ein Anästhetikum sind das schnelle Einsetzen und Abklingen seiner Wirkung. Darüber hinaus sind geringe Nebenwirkungen auf das respiratorische kardiovaskuläre System wichtige Kriterien. Zusätzlich ist keine bzw. zumindest eine geringe Botenstoffreisetzung wie z.B. Histamin wünschenswert, da diese die Schmerzempfindlichkeit erhöhen würde.

Durch diese Kriterien ist Remifentanil sehr gut geeignet, um kurze Operationen durchzuführen, die mit starken Schmerzen während des Eingriffs verbunden sind. Denn häufig wird dem Patienten noch ein weiteres Opioid appliziert, welches die längerfristige Schmerzunterdrückung sicherstellt.

Aber keine Sorge:


Anästhesie, wie sie noch im Jahre 1847 von einem Pionier der Anästhesie (und auch der Plastischen Chirurgie) Johann Friedrich Dieffenbach mit einem einfachen Äthertuch durchgeführt wurde, wird es nicht mehr geben. Statt der Gabe von Remifentanil wird auf andere Medikamente umgestellt, die aber aufgrund anderer Eigenschaften und Nebenwirkungen eine veränderte prä-, peri- und postoperativen Organisation erfodern.

 

 

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Glück auf!

Euer Fabian vom Ruhrmedic Team